An(ge)dacht

Losung 9. Mai 2024

Der HERR hatte sie fröhlich gemacht.

Esra 6,22

Zeitungsandacht im Sonntags Report am 16./17.3.2024

Und doch
Im Leben gibt es viele Gegensätzlichkeiten: Freud und Leid. Gesundheit, Krankheit. Spannung, Entspannung. Wie Ebbe und Flut, der Wechsel der Gezeiten findet auch im Leben statt. Je nach Perspektive, je nach Situation ersehnen oder erwarten wir das Gegensätzliche oder wollen das Schöne möglichst festhalten. Passion und Ostern sind auch gegensätzlich: Leid, Leidenswege müssen leider gegangen werden, aber Ostern folgt, das aufstehen und weitergehen folgt. Und so wird ein Folterinstrument und Tötungswerkzeug zum Schmuckstück, zur Dekoration. Ein krasser Gegensatz. Hier nun ein Text, ein Gedicht, ein paar Gedanken zur Passionszeit, überschrieben mit „und doch“: 

Dieser Jesus empfängt mit offenen Armen? Oh, er hängt da, das ist gar keine Einladungsgeste, oder? Der Anblick und die Vorstellung von seinem Leid stoßen eher ab, oder? Er hängt da am Holz. Er kann gar nicht anders, das sind keine offenen Arme, das sind betroffene Arme. Er ist selbst betroffen. Er wurde nicht gehört oder besser gesagt, nicht verstanden. Er blieb unerhört, unverstanden, bis heute? Aber dieses Unverständnis ist ja auch zu verstehen, denn wie soll das gehen? Er will Retter sein? Er will Helfer sein? Er will für uns da sein? Ja, wie denn? Er ist doch viel zu klein: Als Baby in der Krippe, als Mann am Kreuz. Wir bleiben ja doch irgendwie mit unseren Fragen und unserem Hoffen allein und letztlich werden Schuld und Angst und Scham und die Starken doch wieder Sieger sein. Oder?

Der Mann am Kreuz: Der ewige Gott findet sein Ende. Die Liebe ist ohnmächtig. Das Gute ist nicht mehr da. Aber: „das stimmt nicht, da ist kein Ende, es geht weiter“, sagt die Hoffnung. „Oh doch, die Liebe ist mächtig!“, sagt der Glaube. „Achte drauf, das Gute ist immer noch da.“, sagt die Liebe. 

Ewigkeit, Liebe und Güte sollen da sein, in dieser so gegensätzlichen Welt? Puh. Das ist schwer zu glauben, denn meine Augen sehen oft etwas anderes, mein Gefühl sagt etwas anderes, mein Verstand sagt etwas anderes.

Und doch: denke, spüre und ahne ich, dass es gar nicht anders geht: Liebe muss auch klein sein, um mich und uns zu sehen. Glaube muss auch schwach sein, um einander zu verstehen. Ein allmächtiger Gott muss auch endlich sein, damit wir ihn sehen und annähernd verstehen.

Jesus soll laut Bibel ganz Mensch und ganz Gott gewesen sein. Ein Gegensatz in sich: so fern und so nah, so heilig, so menschlich. Unnahbar und doch begreifbar. Umfassend und ganz persönlich. Voller Kraft und auch ganz schwach. Souverän und mitleidend. Mitfühlend und handelnd. Mystisch-verborgen und klar sichtbar. Ganz anders und vieles mehr, was er beides ist. Gegensätzlich, wie das Leben. 

Und so könnten die offenen Arme doch eine Einladungsgeste sein, denn es ist doch tröstlich, wenn jemand weiß, wie es ist, in und mit und trotz Gegensätzlichkeiten zu leben. Oder? 

Holger Baller 

Gemeinschaftspastor der Evangelischen Gemeinschaft Rhauderfehn

Zeitungsandacht im General Anzeiger vom 24.02.2024

Zufrieden?

Die ersten acht Wochen des Jahres sind schon wieder vergangen. Die guten Vorsätze sind nun etabliert oder nicht mehr da oder sollten nochmal neu bedacht werden. Die persönlichen, guten Wünsche zu Jahresbeginn, in Kurzform: „frohes neues“, sind verhallt oder hallen noch nach? Ganz neu ist das Jahr nicht mehr, aber ist es noch froh? Bist du zufrieden? Ja und nein – wäre meine Antwort.

Vielleicht machst du dir ein paar Sonntagsgedanken: Was ist für dich unverzichtbar für Zufriedenheit?  
Was brauchst du wie die Luft zum Atmen? Was ist deine Sehnsucht?  Und wie zerbrechlich ist das alles?

Wir erleben ja durchaus Momente des Glücks und der Zufriedenheit und gleichzeitig erfahren wir die Zerbrechlichkeit dieser Augenblicke und die Enttäuschung, sie nicht festhalten zu können, sie wieder zu verlieren. Beides ist uns vertraut. 

In einem Moment fühle ich mich „bei mir Zuhause“ und im nächsten Moment bin ich mir fremd: Geborgenheit und Fremdheit – beides ist in mir.

Ich bin angenommen – und doch überfallen mich Selbstzweifel und ich fühle mich unverbunden. Angenommensein und Selbstzweifel – beides ist in mir.

Ich empfinde tiefe Freiheit – und verliere sie wieder. Ich kann mich frei bewegen und fühle mich doch gebunden an die Strukturen des Lebens. Freiheit und Gebundensein – beides ist spürbar. 

Immer beides: Zweifel – Glaube; Hoffnung – Resignation; Erwartung – Enttäuschung; Lärm – Stille; Gesundheit – Krankheit; Ruhe – Unruhe; Weite – Nebel; u.v.m. Ist das Leben ein Zusammenspiel von Gegensätzlichkeiten, wie Ebbe und Flut? Was macht Zufriedenheit dann aus? Kann ich trotzdem zufrieden sein oder ist auch Unzufriedenheit ein Antrieb? 

Es ist sicherlich auch beides: Zum einen drückt Unzufriedenheit wahrscheinlich eine Sehnsucht aus und kann zur Veränderung führen, zum anderen kann ich auch in Situationen zufrieden sein, die gegensätzlich sind, wenn ich mich aber getragen weiß. 

"Schalom" ist ein alter Friedensgruß, der dieses Getragensein ausdrückt. 

Getragen, begleitet, behütet -trotz allem. Oder wegen allem.

Schalom lässt sich übersetzen mit: „Friede sei mit dir.“ In den Texten der Bibel sind diese Worte oft zu finden. Sie berühren die Sehnsucht nach einem unverlierbaren, tieferen Frieden, der unabhängig ist von äußeren Umständen, unserem Status oder von offenen Zukunftsfragen. Ein Friede, der beides trägt, unsere Unzufriedenheiten und unser Zufriedensein. 

„Schalom, Friede sei mit dir!“, dass es gut werde mit Familie Mensch - das wünsche ich für den weiteren Jahresverlauf und darüber hinaus.

Holger Baller, Pastor der Evangelischen Gemeinschaft Rhauderfehn

Gedanken zur Jahreslosung 2024

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
                                                            1. Korinther 16,14 
 
Ein schöner Vorsatz für 2024, oder? Alles, was wir tun, in Liebe geschehen zu lassen. Klingt schön und ist gleichzeitig herausfordernd, wie das mit Vorsätzen nun mal so ist.

Ein paar Gedanken zur Jahreslosung:

Alles - in Liebe, das wäre schön: 
Aufwachen - in Liebe; 
die Bettdecke zurückschlagen – in Liebe; 
aufstehen – in Liebe; 
Zähneputzen – in Liebe;
Tee/Kaffee machen – in Liebe; 
Zeitung lesen – in Liebe; 
Bibelvers lesen – in Liebe; 
zur Arbeit fahren – in Liebe; 
Rentenzeit genießen – in Liebe;
Sorge tragen -in Liebe; 
Krankheit ertragen – in Liebe; 
arbeiten – in Liebe; 
Menschen begegnen, besuchen, anrufen – in Liebe; 
Mittagessen – in Liebe; 
Mittagsschläfchen, ausruhen – in Liebe; 
weiterarbeiten – in Liebe; 
„Nein“ sagen, Absagen – in Liebe; 
Besuch empfangen – in Liebe; 
Einkaufen gehen – in Liebe; 
Buch lesen – in Liebe; 
Spaziergang – in Liebe; 
Brief schreiben, E-Mail schreiben, WhattsApp-Nachricht schreiben, schreiben – in Liebe; 
Abendbrot - in Liebe; 
Musik hören – in Liebe; 
Musik machen – in Liebe; 
fernsehen, Filmsehen, Seriesehen – in Liebe; 
sich bewegen – in Liebe; 
naschen – in Liebe; 
Termine wahrnehmen, vorbereiten – in Liebe; 
Stille, Nichtstun, Da-sein – in Liebe; 
zu-Bett-gehen – in Liebe; 
Wecker (nicht) stellen – in Liebe; 
schlafen – in Liebe; 
wachliegen – in Liebe; 
und vieles mehr: zuhören, hinhören, verstehen wollen, erzählen, feiern, trauern, vergeben (auch sich selbst), danken, aushalten, bleiben, bitten, zu viel denken, zu wenig nachdenken, Gottesdienste, Musikveranstaltungen, Theater, Kino, Sport, ...

...und noch vieles mehr, alles – in Liebe!

Alles – in Liebe, das wäre schön, denke ich, und auch: aber wie denn sonst?

                                        Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.  1. Johannes 4,16

Alles geschehe (in Liebe) – heißt ja: es passiert etwas, es wird noch und darf werden, wachsen, sich entwickeln, darf schief-gehen; heißt auch: ohne unser (weiteres) Zutun; heißt dann auch: selbst ergriffen zu werden und sich ergreifen zu lassen - von der Liebe und: diese Liebe zuzulassen. Nicht mehr, nicht weniger - in Liebe geschehen lassen. In Liebe lassen.

Alles, was ihr tut – nimmt das „ihr“ in die Mitte und meinte damals: „ihr, als Gemeinde, in Korinth“. Und meint heute? Vielleicht uns, als Gruppe, als Gemeinschaft, als Kirche? Vielleicht als Familie oder als Freunde oder Hauskreis oder in ganz anderer Zusammenstellung? Jedenfalls steht da nicht du, sondern ihr. Es sind auf jeden Fall mehrere angesprochen, nicht einzelne. Das ist doch auch entlastend, wenn eine, wenn einer gerade nicht so kann, wenn einige gerade nichts (!) in Liebe geschehen lassen können, aus welchen Gründen auch immer, dann sind die anderen noch da. In Liebe. Füreinander da. Und lassen in der Gruppe auch das nicht-können oder nicht-wollen in Liebe geschehen.

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.  

Vielleicht gelingt es ja, mit dieser herausfordernden Ermutigung durch das Jahr zu gehen und vielleicht hin und wieder innezuhalten, auf die Jahreslosung zu blicken und immer mal wieder zu fragen: Was ist denn „alles“? Was tun wir oder wollen wir tun? Wo können wir geschehen lassen? Wer ist gerade gemeint mit „ihr“? Und auch: Wer, welche Situation benötigt gerade Aufmerksamkeit, das darauf-aufmerksam-machen-„in Liebe/in Gott“ zu sein?

angedacht im Januar 2024 von Holger Baller, Gemeinschaftspastor

„Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.“ Matthäus 6, 21

Ich fand vor längerer Zeit einen Beitrag des ehemaligen Geschäftsführers der Stiftung Marburger Medien Jürgen Mette zu dem obigen Bibelvers. Die freundliche Genehmigung zum Abdruck haben der Autor und die Redaktion der christlichen Wochenzeitschrift idea Spektrum erteilt, wofür ich sehr dankbar bin:

Wenn das Auto angebetet wird
Die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt am Main war mal wieder ein Lobpreisfest auf die Automobiltechnik. Menschen stehen ergriffen und schweigend vor den Objekten der Begierde. Man möchte niederknien und mit den Händen über die Kotflügel streichen, den Duft der Ledersitze wittern. Das alles hat etwas von Anbetung. Auch in ganz bescheidenen Verhältnissen: Samstagnachmittag an der Tankstelle. Ein älteres Ehepaar steuert das noch nicht ganz trockene Vehikel aus der Waschanlage auf den Platz, wo die Staubsauger stehen. Er holt aus dem Kofferraum eine Plastikflasche, sie fingert aus dem Handtäschchen weiße Watte. Und dann nimmt das Ritual der Anbetung seinen Lauf: Er gießt das kostbare Pflegemittel vorsichtig auf die Kosmetikwatte, beugt tatsächlich die Knie vor seinem fahrbaren Blechgehäuse und lässt sich direkt vor den Felgen nieder, um die Insignien seines bescheidenen Wohlstandes liebevoll zu pflegen. Der ältere Herr hat sichtlich Mühe, die Knie noch krumm zu kriegen, aber er ist mit Andacht und Hingabe bei der Sache. Die Gemahlin steht aufmerksam daneben und reicht immer wieder artig das Pflegemittel und hält frische Wattebäusche bereit. Ich kann nicht anders, als den gebeugten Herrn mit einem schelmischen Augenzwinkern zu fragen, ob er denn seine Gattin auch so liebevoll pflegen würde. Sie verdreht die Augen und zwinkert mir mit einem vielsagenden Blick zu, als hätte ich den Nagel auf den Kopf getroffen. Er – sichtlich verlegen und irritiert – stammelt etwas von Wiederverkaufswert und vom schlechten Zustand der Waschanlage. Ob er die Lektion verstanden hat? Wenn alle Männer so viel Zeit für ihre Frau investieren würden, dann wären wir schon einen Schritt weiter auf dem Weg zu einer erneuerten Gesellschaft. 

Wie steht es um unseren (Wiederverkaufs -) Wert für die Ewigkeit? Wo unser Schatz ist, da schlägt unser Herz (sagt Jesus), da gehen wir auf die Knie und geben uns ganz hin. In dieser Haltung vor Gott können wir die Welt bewegen. Nichts gegen das „heilige Blechle“, aber Gott sucht Anbeter, die ihn im Geist und der Wahrheit anbeten. Wir sind reif für einen Herztest, um zu erfahren, an was wir wirklich hängen.

Soweit der Artikel. 
Wir befinden uns in der Adventszeit und nicht mehr lang, dann feiern wir wie jedes Jahr das Christfest. An uns liegt es zu entscheiden, was wir anbeten - unsere Geschenke, unseren Besitzstand oder vielleicht wie die Weisen aus dem Morgenland auf Knien das Kind in der Krippe – den Herrn und Heiland der Welt, der auch in unserem Leben – deinem und meinem – die Hauptrolle spielen will.
Da wird dann dieses Jahr vielleicht doch ein etwas anderes Christfest als sonst.
Gutes Nachdenken und Gottes gutes Geleiten in eine gesegnete Advents - und Weihnachtszeit
Ralph Böttcher 

Zeitungsandacht im General Anzeiger vom 4.11.2023

Von der Hoffnung

Dem Reformator Martin Luther werden die Worte zugeschrieben: „Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

In dem Gedicht von Theodor Fontane über „Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ wünscht sich dieser im Sterben, dass ihm eine seiner geliebten Birnen mit ins Grab gelegt würde. So wird es gemacht und deshalb bekommen die „Jungs“ und „Deerns“ im Gedicht auch Jahre nach seinem Tod noch Birnen von Herrn von Ribbeck.

Äpfel und Birnen.

Beide Aussagen, der Satz von Luther und das Gedicht von Fontane, sprechen von der Hoffnung, von dem Trotzdem, von dem darüber hinaus und ihre Obstvergleiche machen deutlich, es ist nicht zu Ende, wenn es zu Ende ist. Neues fängt im Alten an.

Wenn Jesus vom Himmelreich, vom Guten, vom Schönen, vom Liebevollen erzählt hat, hat er auch immer wieder gesagt und gefragt, „es ist schon da, Neues fängt im Alten an, seht doch genau hin, erkennt ihr es denn nicht?“ 

Zugegeben, oftmals denke ich: „Nein, ich erkenne es tatsächlich nicht. Das Gute, das Schöne, das Liebevolle, das Neue soll schon da sein? Das Himmelreich soll schon hier sein? Puhh…“ Oftmals macht das Alte mir Angst. Diese Welt, diese Zeit macht Angst. Ich habe Zweifel und Fragen und sehne mich nach Hoffnung, nach dem Gutwerden in der Welt, kann es aber nicht erkennen.

Ich möchte es gerne erkennen, jetzt. Nicht warten, bis sich die Zeiten ändern, bis Besseres am Horizont erscheint. Nicht warten, dass alle anderen es verstehen.

Ging es Luther und „Herrn von Ribbeck“ ähnlich? Hatten sie schlechte Zeiten, ob weltlich oder persönlich und haben trotzdem an die Zukunft geglaubt? Hoffnung im Trotzdem?

Apfelbaum, Birnenbaum, vielleicht können aber auch Blumenzwiebeln Zeichen der Hoffnung sein: Das Neue, das Schöne, die Blumen sind bereits in der Zwiebel angelegt. Es beginnt unscheinbar und unsichtbar, es zeigt sich dann im Frühjahr. 

Vielleicht kann auch ein Lächeln an der Supermarktkasse ein Zeichen der Hoffnung sein oder die Begegnung in einem Café. Oder die geliebte Serie oder ein gutes Buch. Vielleicht sehen wir es im Händchenhalten eines jungen Pärchens, eines alten Paares. Vielleicht erkennen wir das „trotzdem“ im Kreislauf der Natur. Oder ganz anders? 

Blumenzwiebeln können übrigens jetzt noch bis zu den ersten frostigen Nächten im November gepflanzt werden, Apfel- und Birnenbäume auch.

Die neue Welt fängt heute an. Hoffentlich.

Holger Baller, Pastor der Evangelischen Gemeinschaft Rhauderfehn

Zeitungsandacht im General Anzeiger vom 12.8.2023

Von der Zeit

„Wie geht´s?“ eine Frage bei der Begegnung, als Floskel oftmals. „Gut,“ so die Antwort, oftmals auch als Floskel, „und selbst?“. „Es kommt drauf an!“, könnte vielleicht eine authentische Antwort sein.

Es kommt doch darauf an, welche Zeit gerade ist und welche Zeit gerade erlebt wird, zum Beispiel: Die Uhrzeit. Die Tageszeit. Die Jahreszeit. Ist Urlaubszeit und Freizeit, Gut-geh-Zeit? Ist Arbeitszeit? Oder eher keine Zeit? Stress-Zeit? Vielleicht auch Rentenzeit? Krankenzeit? Arbeitslosigkeit? Schulzeit? Ausbildungszeit? Elternzeit? Welche Lebenszeit ist gerade? Ist es kostbare Zeit? Eine Auszeit vielleicht? Regenerationszeit oder Wettkampfzeit? Besuchszeit? Krisenzeit? Friedenszeit? Welcher Zeitpunkt ist gerade? Welcher Zeitraum? Läuft es in Zeitlupe? Oder geht es viel zu schnell? Ist es vielleicht zeitlos, oder sollte es sein?

Je nach empfundener Zeit und tatsächlichem Zeitpunkt der Frage und je nach persönlicher Perspektive wird die ehrliche Antwort auf die Frage „Wie geht´s?“ ganz anders ausfallen. Das war bei den Menschen vermutlich schon immer so, denn schon in den ur-zeitlichen Texten der Bibel schreibt jemand: „Alles hat seine Zeit: Geborenwerden und Sterben. Pflanzen und Ausreißen. Weinen und Lachen. Klagen und Tanzen. Steinewerfen und Steine sammeln. Umarmen und Loslassen. Suchen und Finden. Aufbewahren und Wegwerfen. Zerreißen und Zusammennähen. Schweigen und Reden. Lieben und Hassen. Krieg und Frieden. Alles hat seine Zeit.“ (Die Bibel. Erstes Testament. Buch Prediger, Kapitel 3) 

Alles hat seine Zeit und braucht auch seine Zeit. Es ist vermutlich schon immer so. Nochmal: es kommt bei der Antwort auf die simple Frage „wie geht’s?“ darauf an, welche Zeit gerade ist oder wie die Zeit gerade empfunden wird oder welche Zeit gerade gebraucht wird. Das sollte uns, die wir die Frage stellen, bewusst sein und das sollte uns, die wir die Frage gestellt bekommen, bewusst sein. 

Ja, manchmal ist dann tatsächlich die Zeit für Antworten mit Floskeln, dann kann und muss und darf es mit einem zügigen „gut“ auch weitergehen, im Gespräch und im Leben. Aber vielleicht ist es auch einen Sonntagsgedanken wert, sich ehrlich zu überlegen, wie geht es mir eigentlich? Heute? Welche Zeit durchlebe ich gerade und was macht das mit mir? Was würde ich antworten? Und weiter: vielleicht ist es auch die Zeit wert, die Frage jemanden zu stellen „wie geht es dir?“ und gleich zu sagen, „ich habe Zeit für deine Antwort!“ 

Gute Gedanken, gute Zeiten, gute Gespräche, gute Begegnungen wünsche ich Ihnen. 

Holger Baller, Pastor der Evangelischen Gemeinschaft Rhauderfehn